Als Kulturhistorikerin mit einer Schwäche für Patina und Metallgeruch habe ich in den letzten Jahren immer wieder erlebt, wie analytische Methoden die numismatische Forschung aufgemischt haben. Eine dieser Methoden, die ich besonders spannend finde, ist die Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF). Sie hat das Potenzial, die Provenienzforschung von Münzen nicht nur zu ergänzen, sondern in vielen Fällen regelrecht zu revolutionieren — weil sie schnell, häufig zerstörungsfrei und direkt am Objekt anwendbar ist.

Was ist XRF und warum ist das für Münzen relevant?

XRF steht für Röntgenfluoreszenz. Vereinfacht gesagt: Ein Röntgenstrahl trifft auf die Oberfläche einer Münze, regt dort Atome an und diese geben charakteristische Röntgenstrahlen zurück. Aus dem Energiespektrum lässt sich bestimmen, welche Elemente (z. B. Silber, Kupfer, Zinn, Blei) in welcher relativen Konzentration vorhanden sind. Für mich als Numismatikerin ist das enorm wertvoll, weil Metallzusammensetzungen oft auf bestimmte Prägeorte, Zeiträume oder Produktionstechniken hinweisen können.

Was kann XRF zuverlässig leisten?

  • Elementbestimmung: Identifikation von Metallen ab etwa Natrium aufwärts (bei manchen Geräten besser ab Magnesium).
  • Ungefährer Gehalt: Abschätzung von Silber-, Kupfer- oder Zinnanteilen, z. B. ob eine Brakteate 92 % oder nur 50 % Silber enthält.
  • Erkennung von Legierungen und Verunreinigungen: Bleizusatz, Zink in Messing, Anreicherung von Umweltkontaminationen.
  • In der Praxis habe ich XRF verwendet, um zwischen ähnlich aussehenden Stücken zu unterscheiden: zwei mittelalterliche Groschen, bei denen nur die Legierung und damit Produktionsregion unterschiedlich sind, oder um bei antiken Denaren ungewöhnlich hohen Bleianteil zu entdecken, der auf Recycling oder bestimmte Schmelzpraktiken hindeutet.

    Der große Vorteil: zerstörungsfrei und mobil

    Der Durchbruch kam mit portablen XRF-Geräten. Früher musste man Proben entnehmen und ins Labor schicken; heute kann man viele Messungen direkt in einer Sammlung, auf einer Auktion oder beim Finder vor Ort durchführen. Das reduziert Zeit, Kosten und vor allem das Risiko an historischen Objekten. Geräte von Herstellern wie Bruker, Olympus oder Thermo Fisher haben tragbare Lösungen entwickelt, die bei Sammlertreffen oder Museumsinventaren mittlerweile häufig zum Einsatz kommen.

    Grenzen und Fallstricke: Was XRF nicht automatisch löst

    XRF ist mächtig, aber nicht allwissend. Einige Einschränkungen, die ich immer wieder erklären muss:

  • Oberflächenempfindlichkeit: XRF misst typischerweise nur die obersten Mikrometer bis Zehn- bis Hundert-Mikrometer. Korrosionsschichten, Patina, Reinigungsrückstände oder moderne Überzüge verfälschen das Ergebnis.
  • Matrixeffekte: Die Anwesenheit eines Elements kann die Messung eines anderen beeinflussen. Ohne passende Kalibrierung sind absolute Gehalte mit Unsicherheiten behaftet.
  • Legierungen mit geringen Beimengungen: Spurenstoffe wie Goldspuren oder geringe Bleianteile können unterhalb der Nachweisgrenze liegen.
  • Isotopeninformation nicht verfügbar: Für einige Provenienzfragen wären Isotopenverhältnisse (z. B. Blei-Isotope) entscheidend — das erfordert andere Verfahren wie MC-ICP-MS.
  • Wie ich mit diesen Problemen umgehe

    In meiner Arbeit kombiniere ich XRF immer mit Kontextanalyse: Archäologischer Fundkontext, Stil- und Ikonografiestudien, Schriftquellen. Bei fragilen oder korrodierten Objekten lasse ich die Messung von Restauratorinnen oder Materialwissenschaftlern begleiten. Wenn die Oberfläche stark gealtert ist, bitte ich um eine schonende Probenahme (z. B. Mikroabtrag) oder verwende ergänzende Techniken wie SEM-EDS, um ein tieferes Bild der Legierung zu bekommen.

    Praxisbeispiele aus meiner Forschung

    Ein Beispiel aus jüngerer Zeit: Ich begleitete die Untersuchung einer Sammlung mittelalterlicher Brakteaten. Optisch waren viele Stücke ähnlich, doch XRF zeigte unterschiedliche Silberanteile und erhöhte Bleigehalte in einer Untergruppe. In Kombination mit Stilanalysen führte das zu der Erkenntnis, dass diese Stücke vermutlich aus einem anderen regionalen Schmelzraum mit Recyclingpraktiken stammen — ein Hinweis auf Handels- und Rohstoffflüsse, der aus rein stilistischer Betrachtung nicht ersichtlich gewesen wäre.

    Bei antiken Münzen nutzte ich XRF, um Abweichungen in der Kupferkaratierung bei römischen Sestertien zu identifizieren — ein Indiz für Reparatur- und Umlaufspraktiken in Krisenzeiten. Solche materiellen Signaturen ergänzen historische Quellen zur Münzpolitik eindrücklich.

    Qualität und Kalibrierung: Worauf Sammler achten sollten

    Wenn Sie als Sammler oder Kurator XRF-Daten nutzen wollen, beachten Sie folgende Punkte:

  • Messen Sie immer mehrfach an verschiedenen Stellen der Münze. Patina und Verschmutzung variieren lokal.
  • Arbeiten Sie mit zertifizierten Standarts. Ohne Vergleichswerte sind Prozentangaben nur bedingt aussagekräftig.
  • Dokumentation ist alles: Messparameter, Gerätehersteller, Softwareversion, Entfernung und Winkel zur Probe sollten festgehalten werden.
  • Problem Praktische Lösung
    Oberflächenpatina verfälscht Ergebnisse Messung an mehreren Stellen; ergänzende Mikroabtragung oder SEM-EDS
    Unklare Kalibrierung Verwendung zertifizierter Legierungsstandards und Laborkalibrierung
    Geringe Elementkonzentrationen ggf. Laboranalysen mit empfindlicheren Methoden (ICP-MS)

    Empfehlungen für Sammler und Forschende

    Ich empfehle, XRF als Erstdiagnose einzusetzen: schnell, unverbindlich und oft schon aufschlussreich. Für Auktionen und Erwerbungen kann ein kurzer XRF-Scan Fehlkäufe verhindern. Für wissenschaftliche Veröffentlichungen sollte XRF durch Probenanalysen ergänzt werden, wenn tiefergehende Fragen der Metallherkunft oder exakte Konzentrationen beantwortet werden müssen.

  • Für den Einstieg: Portable XRF-Geräte wie die von Bruker (Tracer-Serie) oder Olympus (Vanta-Serie) bieten ein gutes Verhältnis von Leistung zu Mobilität.
  • Für anspruchsvolle Provenienzfragen: Kooperation mit archäometrischen Laboren, die Lead-Isotopenanalysen oder ICP-MS durchführen können.
  • Immer: klare Dokumentation und kritische Interpretation der Daten im historischen Kontext.
  • Ethik und rechtliche Aspekte

    Die Verfügbarkeit portabler XRF-Geräte bedeutet auch Verantwortung. Ich rate dazu, sensible Fundkontexte zu respektieren und mit Kräften wie Archäologischen Diensten oder Museumsrestauratoren zusammenzuarbeiten. Bei Verdacht auf illegalen Handel oder ungeklärte Provenienz sollten Messungen nicht zur Verdeutlichung von Eigentumsfragen missbraucht werden — hier sind Behörden und Provenienzforscher gefragt.

    Für mich bleibt XRF ein Werkzeug unter vielen. Wenn man es beherrscht und verantwortungsvoll einsetzt, öffnet es Türen zu Fragen, die sich früher nur schwer beantworten ließen: Woher kam das Metall? Wurde Altmetall recycelt? Verändert sich die Metallqualität mit politischen Krisenzeiten? Diese materiellen Spuren machen Münzen zu noch faszinierenderen kleinen Geschichtsträgern — und die XRF-Analyse ist heute eines der zuverlässigsten Mittel, diese Spuren sichtbar zu machen.