Brakteaten faszinieren mich seit Jahren: diese dünnen, oft einseitig geprägten Münzen des Mittelalters wirken wie filigrane Druckstöcke aus Bronze oder Silber. Immer wieder werde ich gefragt, warum Brakteaten so dünn sind und wie genau das Herstellungsverfahren ihre heutige Erhaltung beeinflusst. In diesem Beitrag möchte ich meine Beobachtungen aus Forschung, Objektexaminationen und Gesprächen mit Restauratoren teilen – praktisch, technisch und kulturgeschichtlich.

Was sind Brakteaten und welche Bauweise haben sie?

Brakteaten (vom mittellateinischen „bractea“ = dünne Metallplatte) sind Scheidemünzen, die im Hoch- und Spätmittelalter vor allem in Mitteleuropa verbreitet waren. Charakteristisch ist die einseitige Prägung: Reliefmotive – Herrscherbildnisse, Kreuze, Tiere oder symbolische Darstellungen – erscheinen erhöht, während die Rückseite meist glatt bleibt. Typisch ist außerdem ein starkes Hochrelief bei sehr geringer Materialstärke.

Die dünne Bauweise ist kein Zufall, sondern Ergebnis ökonomischer, technischer und ikonographischer Entscheidungen: Dünne Silberblättchen waren günstiger in Materialverbrauch, ließen sich leichter prägen und ermöglichten hohe Reliefkontraste mit wenigen Schlägen.

Technische Gründe für die Dünnheit

Ich unterscheide drei Hauptgründe, die zusammen die dünne Ausführung erklären:

  • Rohmaterial und Kosten: Silber war knapp und teuer. Durch dünne Platten konnte man mehr Münzen aus einer Silbermenge herstellen.
  • Prägeverfahren: Brakteaten wurden häufig mittels eines oberen Stempels auf einen weichen Untergrund (z. B. Ton oder Leder) oder auf einen weichen Amboss eingeschlagen. Ein harter Gegenstempel war nicht notwendig, denn die Platte konnte sich in den Untergrund eindrücken und so ein deutliches Relief erzeugen.
  • Bildwirkung: Das Prinzip des Hochreliefs profitierte von dünnem Material; die Erhöhung wurde dadurch plastischer und die Bildsprache – oft symbolisch oder herrschaftlich – wirkte stärker.
  • Bei meinen Untersuchungen habe ich festgestellt, dass viele Brakteaten gerade durch die Kombination aus weichem Untergrund und relativ niedrigen Schlagkräften entstandenen – ein effizienter Weg, um mit weniger Material dennoch ein markantes Erscheinungsbild zu erzielen.

    Herstellungsverfahren im Detail

    Die Herstellung lässt sich in mehrere Schritte zerlegen, die ich häufig in Restaurierungsberichten wiedererkenne:

  • Fertigung der Rohlinge: Silber wurde zu dünnen Plättchen gehämmert oder gewalzt. In Regionen mit fortgeschrittener Metallverarbeitung konnten Werkzeuge wie einfache Walzen oder gezielte Hämmertechniken zur Produktion verwendet werden.
  • Stempelgravur: Der Schröter (Münzmeister) gravierte den Stempel meist spiegelverkehrt. Bei Brakteaten kam oft nur ein Stempel zum Einsatz. Die Motive waren vereinfacht und auf kräftige Linien angelegt, damit sie bei geringer Materialdicke klar erscheinen.
  • Prägung: Der Rohling wurde auf den Unterstempel gelegt – oft auf Ton, etwas Leder oder einen weichen Amboss – und mit einem oberen Stempel geschlagen. Der weiche Untergrund erlaubte die Ausformung des Reliefs in die Rückseite der Platte, wodurch man ohne Gegenschnitt hohe Relieftiefen erreichte.
  • Ich habe bei Objekten oft mikroskopische Spuren von Flachschlägen und Richtungsmarken beobachtet, die auf manuelle Arbeit und nicht auf maschinelle Prägetechnik hinweisen. Das erklärt auch die große Variationsbreite, die wir bei Brakteaten sehen.

    Wie beeinflusst die Dünnheit die Erhaltung?

    Dünne Brakteaten sind in ihrer Substanz anfälliger, aber manchmal konservieren genau diese Eigenschaften bestimmte Details besonders gut. Ich nenne hier die wichtigsten Effekte:

  • Mechanische Beschädigung: Dünnes Metall ist leichter zu knicken, zu brechen oder zu durchstoßen. Viele Brakteaten sind fragmentiert oder weisen Risse auf. Bei ausgeprägten Reliefs sind die Randbereiche besonders gefährdet.
  • Korrosion: Bei Silber spielt Anlaufen (Tarnish) eine Rolle, bei weniger edlen Legierungen können Lochfraß und flächige Korrosion auftreten. Dünne Stellen korrodieren schneller vollständig durch als kompaktere Münzen.
  • Deformation durch Gebrauch: Brakteaten wurden oft als Scheidemünzen in Alltagsverkehr genutzt – damit sind Knicke, Doppelprägungen und Abnutzungen häufig. Interessanterweise sind zentrale Bildfelder aufgrund der höheren Materialstärke durch das Relief manchmal besser erhalten als die äußeren Ränder.
  • Erhaltungszustand als Zeugnis: Einige Schäden verraten uns Herstellung und Gebrauch: Biegen entlang bestimmter Linien deutet auf eine frühe Nutzungstechnik hin (z. B. zum Reinigen von Silber), während punktuelle Löcher auf spätere Pfählung oder Aufhängungen schließen lassen.
  • Konservatorische Herausforderungen und Lösungen

    Als jemand, der eng mit Restauratoren zusammenarbeitet, sehe ich häufig folgende Probleme und praktikable Herangehensweisen:

  • Stabile Lagerung: Dünne Plättchen brauchen flache Polsterlagen und weiche, säurefreie Materialien. Ich empfehle die Nutzung von Mylar-Hüllen oder schaumstoffgefütterten Kassetten, um Knicken zu vermeiden.
  • Reinigung: Vorsicht ist geboten. Mechanische Reinigung kann dünne Ränder abbrechen. Ökologisch und sicher ist die konservatorische Nassreinigung unter Laborbedingungen oder die behutsame elektrische Politur in den Händen von Fachleuten.
  • Restaurierung: Löcher oder Risse sollten nur konservatorisch stabilisiert werden, nicht „künstlerisch“ gefüllt. Sichtbar markierte Ergänzungen sind wichtig, um wissenschaftliche Integrität zu bewahren.
  • Fallbeispiele aus meiner Arbeit

    Ich erinnere mich an einen Brakteaten aus dem 12. Jahrhundert, den ich katalogisierte: Er war an den Rändern stark ausgefranst, das Zentrum jedoch ungewöhnlich scharf. Die Analyse zeigte, dass der ursprüngliche Stempel extrem hoch reliefiert war und die Platte sehr dünn gewalzt. Die Randzerstörung war vermutlich Folge von wiederholtem Biegen beim Umlauf — ein klarer Hinweis auf ökonomische Nutzung.

    Ein anderes Stück, ein sächsischer Brakteat, trug an der Rückseite Tonreste: Der Fund bezeugte die Praxis, Münzprägen direkt auf weichem Material durchzuführen. Solche Funde helfen mir, die alte Werkstattpraxis besser zu verstehen und die Verbindung zwischen technischer Herstellung und Erhaltungsbild herzustellen.

    Kurzer Vergleich verschiedener Prägungsarten

    MerkmalBrakteatMassive Münze (z. B. Hohlprägung)
    Materialstärkesehr dünndeutlich dicker
    Reliefwirkunghochreliefig trotz Dünnevariabel
    Empfindlichkeitanfälliger für Knicke und Risserobuster
    Herstellungsaufwandgünstig im Materialverbrauchhöherer Material- und Arbeitsaufwand

    Beim Studium von Brakteaten fasziniert mich besonders, wie eng Ökonomie, Technik und Bildsprache miteinander verwoben sind. Die Dünnheit ist kein Makel, sondern ein bewusst eingesetztes Mittel – und gleichzeitig der Grund für viele heutigen Erhaltungsfragen, mit denen ich mich regelmäßig in der Arbeit auseinandersetze. Wenn Sie eine Brakteatensammlung betreuen oder restaurieren möchten und konkrete Fragen zu einem Stück haben, schreibe ich gern mehr zu Materialanalysen, Konservierungsstrategien oder zur Bestimmung anhand von Stempelgruppen.